Fossiles Gas: Das grosse Geschäft

Warum der Gaspreisdeckel der EU keiner ist – und wie Flüssiggasimporteure die Notlage in Europa für ihr Geschäft nutzen: Die EU hat – nach langem Zögern – ihre Vorstellung zu einer europaweiten Beschränkung des Gaspreises vorgelegt. Weil der Strompreis eng an den Gaspreis gekoppelt ist, hätte ein derartiges Instrument automatisch Auswirkungen auf die Strompreise. Die Kommission spricht in diesem Zusammenhang von einem „Marktkorrektur-Mechanismus“, der „vorübergehende“ und „unverhältnismäßige“ Preisbewegungen an der Amsterdamer Börse TTF (Title Transfer Facility) abschwächen soll.

Der TTF-Preis ist die wichtigste Gasnotierung für Europa; viele Lieferverträge sind daran gekoppelt. Der Preisdeckel soll EU-weit in Kraft treten, sobald zwei Bedingungen erfüllt sind: Der Gaspreis muss zwei Wochen lang 275 Euro pro Megawattstunde (MWh) übersteigen und gleichzeitig mindestens 58 Euro höher sein, als die Preise am Weltmarkt für Flüssiggas (LNG). Dieses Verfahren zur Preisabsenkung ist unter den Mitgliedsstaaten umstritten. So befürchten einige Staaten, dass ein Preisdeckel die Nachfrage nach fossilem Gas anheizen und Gasexporteure davon abhalten könnte, ihren Rohstoff in Europa zu künstlich niedriggehaltenen Preisen zu verkaufen. Auf der anderen Seite fordern 15 Mitgliedstaaten – und darunter befindet sich auch Italien – die rasche Einführung eines gesetzlichen Limits, um die hohen Preise wirksam zu senken. Sicher ist: Bei den aktuellen TTF-Gaspreisen (28. November: 114,72 Euro/MWh, 28. August: 308,18 Euro) – und auch bei Höchstständen wie im Sommer – würde die Preisdeckelung der EU nicht aktiviert.

Für die LNG-Importeure – und darunter befinden sich übrigens viele Energiekonzerne aus Europa – ist die hohe Nachfrage nach fossilem Gas ein hervorragendes  Geschäft. Dazu der französische Präsident Emmanuel Macron: „Unter den Ländern, die der Ukraine helfen, haben sich auf dem Gasmarkt zwei Kategorien gebildet: Es gibt diejenigen, die teuer bezahlen und diejenigen, die zu sehr hohen Preisen verkaufen. Die USA sind ein Produzent von billigem Gas, das sie uns zu einem hohen Preis verkaufen und ich glaube nicht, dass dieses Geschäftsgebaren freundlich ist.“ Der in Europa für fossiles Gas veranschlagte Preis übertraf den in den USA ermittelten Richtpreis in den vergangenen Monaten mitunter um das Vierfache.

Die Terminkontrakte in den USA werden durchschnittlich mit 33 US-Dollar pro MWh abgeschlossen – in Europa beträgt der Preis per MWh derzeit zirka 115 US-Dollar. Aufgrund dieser Preisschere erklärte der Finanzchef des französischen Unternehmens TotalEnergies, Jean-Pierre Sbraire, dass der vertraglich vereinbarte Zugang zu mehr als 10 Millionen Tonnen US-LNG pro Jahr „ein großer Vorteil für unsere Händler ist. Angesichts der aktuellen Preise für LNG ist jede Schiffsladung etwa 80 oder sogar 100 Millionen Dollar wert. Die Möglichkeit der Um- oder Weiterleitung zwischen verschiedenen Märkten ist also ein effizienter Weg, um diesen Handelswert zu maximieren. Eine Cashflow-Generierung in dieser Größenordnung markiert den Beginn einer neuen Ära für das Unternehmen“. Mit anderen Worten: US-amerikanisches Erdgas muss nicht in Europa erkauft werden. Im Gegensatz zu Gasförderern im Nahen Osten, die den Handel mit „ihrem“ LNG auf den asiatischen Markt beschränken und verhindern, dass es zu höheren Preisen weiterverkauft wird, wechselt US-Gas in dem Moment den Besitzer, in dem es verladen wird, um dann ohne Einschränkung zu den attraktivsten Märkten der Welt verschifft zu werden.